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17.08.2017

Der Künstler Hermann Stenner

Der Bielefelder Künstler und Namensgeber des Kunstforum Hermann Stenner zählt zu den aufstrebenden Talenten der künstlerischen Avantgarde des frühen 20. Jahrhunderts. 1891 in Bielefeld geboren, starb er im Ersten Weltkrieg 1914 mit nur 23 Jahren. In nur fünf Studien- und Schaffensjahren hinterlässt er ein beeindruckendes Gesamtwerk von über 270 Gemälden und rund 1.500 Arbeiten auf Papier, darunter Aquarelle, Zeichnungen und druckgraphische Arbeiten. Stenner „wäre einer der besten Maler Deutschlands geworden“, schreibt sein ehemaliger Studienkollege Willi Baumeister in einem Brief von 1950. (1) In diesem Sinne möchte das Kunstforum Hermann Stenner das Leben und Werk des herausragenden, wenn auch in seiner Geburtsstadt bisher weniger bekannten Künstlers würdigen und ihn in seiner überregionalen Bedeutung wie auch im Kontext der Klassischen Moderne der Öffentlichkeit vorstellen.

Rasante Entwicklung

Faszinierend ist Stenners rasante künstlerische Entwicklung in der Kürze der ihm zur Verfügung stehenden Schaffenszeit. Sein kaum 5 Jahre umfassendes Œuvre ist von der Auseinandersetzung mit den Positionen der Klassischen Moderne geprägt. Es reicht vom späten Impressionismus in dunklen Farbtönen bis zur Freilichtmalerei in einer hellen, heiteren Farbpalette und geht über den Expressionismus in ausdruckstarken, leuchtenden Farben hin zur beginnenden Abstraktion, die sich auf die formalgestalterischen Möglichkeiten der Malerei konzentriert. In den letzten Arbeiten des Jahres 1914 entwickelt er ein eigenständiges Werk, das sich deutlich von der Hölzel’schen Lehre entfernt. Sein Gesamtwerk steht zweifellos gleichrangig zu den Werken der künstlerischen Avantgarde seiner Zeit. Gerade im Vergleich zu dem bis 1914 geschaffenen Œuvre seiner Stuttgarter Künstlerkollegen Willi Baumeister, Johannes Itten und Oskar Schlemmer zeigt sich, welche erstaunlichen künstlerischen Leistungen Hermann Stenner in seiner kurzen Schaffenszeit vollbrachte.

Künstlerischer Werdegang

1891 als Ältester von acht Geschwistern in Bielefeld geboren, setzt sich Hermann Stenner im väterlichen Malermeisterbetrieb bereits früh mit künstlerischen Techniken auseinander. 1908 tritt er nach dem Schulabschluss in die Handwerker- und Kunstgewerbeschule in Bielefeld ein, um sich auf die Akademie vorzubereiten. Kaum ein Jahr später bewirbt er sich mit nur 18 Jahren an der Kunstakademie in München und befolgt den Rat des Direktors Prof. von Stieler, zunächst die private Zeichenschule von Heinrich Knirr zu besuchen. Erst mit dem Unterricht bei Heinrich Knirr in München und Hans von Hayek in Dachau schafft er die Grundlage für seine folgende künstlerische Laufbahn. Auf Empfehlung siedelt Stenner 1910 an die Königliche Akademie nach Stuttgart über, die um den Pionier der Abstraktion Adolf Hölzel neben der „Brücke“ in Berlin und dem „Blauen Reiter“ in München eine der drei wichtigsten Kunstzentren der Moderne in Deutschland bildet. Auch hier wird sein offenbar müheloses, selbstverständlich rasches Lernen deutlich.

Zunächst studiert er in der Malklasse von Christian Landenberger. Im Jahr darauf wechselt Stenner 1911 in die Komponierklasse von Hölzel, unter dessen Einfluss sich immer mehr der Fokus auf Farbe und Form, sowie der Umgang mit den formalen Gestaltungsmitteln in seinem Werk verfestigen. Zu den Schülern des Wegbereiters der Moderne – dem sogenannten Hölzel-Kreis – gehören heute bedeutende Künstler, darunter Willi Baumeister und Ida Kerkovius, aber auch Oskar Schlemmer und Johannes Itten, welche später maßgeblich das Bauhaus prägen sollten. Bereits nach einem Jahr in der Hölzel-Klasse wird der nun 20-jährige Stenner Meisterschüler und nimmt an zahlreichen bedeutenden Ausstellungen u.a. in Stuttgart, München, Berlin, Wien und Dresden teil. Grundlegend für seine letzten Schaffensjahre ist der nach einem Wettbewerb in der Hölzel-Klasse an die begabtesten Meisterschüler vergebene Auftrag an Stenner, Schlemmer und Baumeister, zwölf Wandbilder für die Vorhalle des Hauptgebäudes der legendären Ausstellung des Deutschen Werkbundes in Köln 1914 anzufertigen. Nach den für ihn anstrengenden Monaten der Arbeiten für die Werkbund-Ausstellung zieht sich Stenner zunächst nach Stuttgart, dann nach Meersburg an den Bodensee zurück. In diesen Monaten ruhiger, einsamer Arbeit schafft er herausragende und eigenständige Werke. Im Anschluss daran meldet sich Hermann Stenner am 7. August 1914 zusammen mit Oskar Schlemmer als Kriegsfreiwilliger und fällt am 5. Dezember des gleichen Jahres – gerade von der Westfront an die Ostfront verlegt – bei Iłow in Polen. (2)

Posthume Würdigung

Adolf Hölzel schreibt in seinem Kondolenzschreiben an den Vater Hugo Stenner vom 27.01.1915: „Ihr Sohn war einer der Begabtesten meiner Schüler und ich habe, wie ich öfters schrieb, stolze Hoffnung auf ihn gesetzt. (…) Wir alle hier haben ihn künstlerisch besonders hoch geschätzt.“ (3) Oskar Schlemmer schreibt an die Eltern Stenner, dass gerade um Hermann die Klage besonders groß sei, „… aber Lieblinge der Götter sterben früh!“ (4) Bei der Ausstellung „Hölzel und sein Kreis“, 1916 in Freiburg – unter Mitwirkung von Oskar Schlemmer und Johannes Itten als Organisatoren – werden die Werke Hermann Stenners besonders hervorgehoben und wird er als der hoffnungsvollste und an erster Stelle der Hölzel-Schüler genannt. Danach wird es langsam still um ihn – wenn auch 1937 seine Werke in Stuttgarter und Bielefelder Museen hängenden Bilder von den Nationalsozialisten als „entartet“ beschlagnahmt werden –, bis Gustav Vriesen, der erste hauptamtliche Leiter des Städtischen Kunsthauses Bielefeld, ihn wiederentdeckt und 1954 und 1956 in Ausstellungen erstmals wieder würdigt.



(1) Abgedruckt als Briefentwurf vom 15.06.1950, in: Das Glück in der Kunst. Sammlung Bunte, Ausst.-Kat. Kunsthalle Bielefeld, Bielefeld 2014, S. 266.
(2) Vgl. Markus Pöhlmann, in: Karin von Maur (Hg.), Der Maler Hermann Stenner im Spiegel seiner Korrespondenz. Briefe 1909–1914, München 2006, S. 410-413, Fn. 17.
(3) Abgedruckt in: Das Glück in der Kunst. Sammlung Bunte, Ausst.-Kat. Kunsthalle Bielefeld, Bielefeld 2014, S. 261.
(4) Abgedruckt in: Hermann Stenner 1891–1914, Ausst.-Kat. Städtisches Kunsthaus Bielefeld, 1956, S.19f, hier S.20 .